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n-report - Weiterbildung zum journalistischen Arbeiten

Gerade in Krisenzeiten sind journalistisches Wissen und Medienbildung enorm wichtig, wie jüngste Untersuchungen über Corona-Falschmeldungen zeigen, die ein Millionenpublikum erreichen. Auch in der Krisenkommunikation mit der Schulgemeinde sind journalistische Kompetenzen gefragt. Durch die Zusammenarbeit mit der Webakademie des Journalismus (Reporterfabrik.org) können wir im Rahmen der Weiterbildungsmaßnahme n-report auch digitale Formate anbieten.


Zum Hintergrund der Weiterbildungsmaßnahme n-report

Journalistisches Arbeiten an der Schule: Von Journalisten lernen, um Medien zu verstehen

In Kooperation mit der niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) fördert das Landesprojekt n-report seit 2005 Journalismus in der Schule. Alle Unterrichtsfächer können durch journalistisches Arbeiten in Unterrichtsvorhaben einen Beitrag zur Medienbildung der Schülerinnen und Schüler leisten. Zusätzlich kann Journalismus mit aktiver Medienarbeit in Wahlpflichtkursen, Profilkursen, AGs und als Seminarfach eingeführt werden. Immer bereichert journalistische Kompetenz an der Schule das Schulprofil über das Medienkonzept und über eine vorbildliche Öffentlichkeitsarbeit an der Schule. 

In der Weiterbildung lernen Lehrer durch professionelle Journalisten den Wert journalistischer Arbeit kennen - der Clou: Bei jedem Workshop produzieren die Lehrer eigene Beiträge und setzen später das Gelernte in schulischen Medienprojekten um. Zum Abschluss jedes Projektes werden die besten Schulbeiträge mit dem N-REPORT-PREIS in den Kategorien "Schreiben" (Print und Online), "Foto", "Video" und "Radio" prämiert.

Die Lehrkräfte erhalten bei erfolgreichem Abschluss ein NLQ-Zertifikat "Journalismus" mit nachgewiesenen Kompetenzen in: Themenfindung, Recherche, Print- und Online-Journalismus, Fotoreportage, Montage/Post-Produktion, Podcast, Radiojournalismus, Video/TV-Journalismus, Pressekonferenz und Veröffentlichung. 


Welchen Informationen können wir trauen?

Die Veränderungen durch die Digitalisierung sind rasant. Wie kann das System Schule darauf reagieren? Journalistisches Arbeiten in der Schule befähigt zur kritischen Bewertung von Informationen.

von Hans-Jakob Erchinger

Die digitale Revolution geht weiter: Künstliche Intelligenz, Deep Fakes und strategische Informationen sind allgegenwärtig – auch auf den Geräten der Schülerinnen und Schüler. Eine Folge ist, dass das Misstrauen gegenüber medialer Berichterstattung steigt. Gleichzeitig werden die digitalen Werkzeuge in den Händen unserer Schüler immer mächtiger. In der Unterrichtsplanung muss all das didaktisch und methodisch berücksichtigt werden – eine riesige Herausforderung, der sich die Schulen stellen müssen. Zentral ist die Erkenntnis, dass Lehrende neben dem fachlichen und pädagogischen Wissen in Zukunft über mediales und technologisches Wissen verfügen müssen (TPACK-Modell). Quellen zu bewerten, Informationen zu filtern und Inhalte sprachlich und visuell zu präsentieren muss im Unterricht vermittelt werden... [weiterlesen]


Magazin n-report Journalistisches Arbeiten in der Schule

Die NLQ-Broschüren als PDF-Version im Überblick



Praxisberichte aus den n-report-Schulen:

Von Dominique Minkley

„Wäre das nicht etwas für dich?“, fragt mich die Schulleiterin des CJD Elze im Januar und schiebt mir eine Info-Broschüre des Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) über den Schreibtisch. Gelb markiert ist die Seminarreihe „n-report digital: Journalistisches Arbeiten in der Schule“. Es geht um Nachrichtenkompetenzen und die Möglichkeiten, diese im Unterricht zu vermitteln. Mein Interesse ist geweckt. „Klar, wieso nicht.“

Ich informiere mich über die Teilnahmebedingungen und nehme mir vor, mich zeitnah zu bewerben. Aber wie das nun mal so ist, Beruf und Privatleben kommen dazwischen und die Bewerbungsfrist, 15. April, rückt immer näher. Und noch etwas passiert. Die Corona-Pandemie stellt die Welt auf den Kopf. Am 23. März kommt der totale Lockdown und ich frage mich: „Findet das Seminar überhaupt statt?“ Gleichzeitig stellt sich Hans-Jakob Erchinger im nicht weit entfernten Hannover dieselbe Frage. Wie ich ist er Lehrer und erlebt das volle Ausmaß der Schulschließungen. Er befindet sich im Homeoffice, seine Frau ist in der Grundschule voll eingespannt, von seinen zwei Kindern sieht er vormittags nicht viel, da sie dank selbst strukturiertem Tagesablauf bis mittags schlafen. Das gibt ihm Zeit, seine schulischen Aufgaben zu erledigen. Zusätzlich unterstützt er seine Kollegen während des Homeschoolings im Support-Team und ruft einen Podcast „Schule Macht Medien“ ins Leben. Als wäre das nicht genug, ist er beim NLQ Fortbildungsverantwortlicher im Fachbereich Medienbildung und organisiert die fünf mehrtägigen Veranstaltungen, die mir die Direktorin empfohlen hat. Wenn das öffentliche Leben des Landes nicht gerade bestimmt wird durch Maskenpflicht, Mindestabstand und fehlende Handdesinfektion, ist die Planung eines solchen Projekts durchaus realisierbar. Doch die gegebenen Bedingungen stellen Erchinger vor einige Herausforderungen. So werden mit dem Lockdown alle Präsenzseminare auf Eis gelegt. Ein Notfallplan muss her. Die einzige Alternative: online, online, online. Alles muss online stattfinden – in Form von Webinaren, Videokonferenzen und mithilfe von Online Tools wie der Reporterfabrik. Aber noch hat Erchinger die Hoffnung, dass sich die Situation bis zur ersten Veranstaltung bessert und vielleicht doch „ganz normal“ stattfinden kann. Diese Hoffnung habe auch ich und beschließe, eine Bewerbung abzuschicken. Es fühlt sich merkwürdig an, in dieser verrückten Zeit Gedanken an so etwas scheinbar Banales wie Weiterbildungen zu verschwenden. Wir befinden uns im Ausnahmezustand, die Lage ist ungewiss, Existenzen stehen auf dem Spiel. Und ich möchte lernen, wie man einen journalistisch wertvollen Text schreibt? Aber es muss ja auch irgendwann wieder Normalität einkehren! Und tatsächlich, mit der schrittweisen Wiedereröffnung der Schulen im Mai dürfen auch kleine Lehrerfortbildungen unter Einhaltung der für Schulen geltenden Hygienemaßnahmen stattfinden. Aber so ein Seminar lässt sich nicht von heute auf morgen organisieren. In der Regel wird es langfristig geplant, mit Sachbearbeitern im Detail besprochen und Veranstaltungsorte sowie Referenten gebucht. Viele Seminare sind zu diesem Zeitpunkt deshalb schon abgesagt und auf eine Onlineversion umgeplant worden. Dass die Veranstaltung „Journalistisches Schreiben“ trotzdem stattfinden kann, ist auch der Kooperation des Veranstaltungsortes „Haus am Meer“ in Wunstorf zu verdanken. Die Gegebenheiten sind ideal. Ein weiträumiges Außenareal bietet die Möglichkeit des Arbeitens im Freien. Der Mindestabstand ist gewährt. Und auch die Location, idyllisch gelegen am Steinhuder Meer, mit einem Steg, der direkt am Wasser entlangführt und auf dem man wunderbar seine Gedanken sammeln kann, tut der Seele gut. Trotzdem bin ich etwas nervös, als ich mich am Morgen des ersten Seminartags auf den Weg mache. Ich bin kein ängstlicher Mensch und lasse die Dinge auf mich zukommen, ohne mich groß verrückt zu machen. Aber in den vergangenen Wochen bin ich vorsichtiger geworden und betrachte eine Ansammlung fremder Menschen mit Skepsis. Wie sieht sie also aus, die Weiterbildung zu Coronazeiten? Auch bei Hans-Jakob Erchinger bleibt ein mulmiges Gefühl. Nur wenige Lehrerfortbildungen mit geringer Teilnehmerzahl finden dieses Jahr statt, die heutige ist eine der ersten. Quasi die Probe aufs Exempel.

Ich komme pünktlich an. Am Eingang des Hotels erwartet mich die obligatorische Flasche mit Handdesinfektionsmittel und eine nette Hotelangestellte, die mir ein Formular für die Kontaktdaten überreicht. Nur für den Fall der Fälle… Ich gehe durch den kleinen, hoteleigenen Garten und betrete den Tagungsraum, wo die Tische mit ausreichend Abstand aufgestellt sind. Zwar sitzen wir zu zweit an den Tischen, aber mit den Stühlen auf Eck geschoben funktioniert das schon mit dem Mindestabstand. Das Seminar beginnt mit einer Vorstellungsrunde und anschließend wird die Aufgabenstellung für die zwei Teilnehmer und zehn Teilnehmerinnen umrissen. Dann steht die erste Zoom-Konferenz an. Unser Referent Jörg Sadrozinski, erfahrener Journalist, interviewt Cordt Schnibben, Journalist im Unruhestand und Herausgeber des kürzlich erschienenen Buchs „Corona – Geschichte eines angekündigten Sterbens“. Die Zoom-Konferenz zeugt davon, dass eben doch nicht alles „ganz normal“ läuft, denn eigentlich wurde bei den Seminaren zum journalistischen Schreiben in den vergangenen Jahren die Gruppe losgeschickt, um Ortsansässige, wie den Fischer oder die Seglerin, zu interviewen. Die Lehrer waren in ihrer Bewegung nicht eingeschränkt und konnten aktiv werden, um ihr Portrait, Interview oder ihren Bericht zu verfassen. Wir hingegen sitzen hier in einem geschlossenen Raum und schauen auf eine Leinwand, während wir uns fleißig Notizen machen. Aber trotz aller Trostlosigkeit, die aus dem letzten Satz zu klingen scheint, macht das Interview wirklich Spaß. „Man muss aus der Not eine Tugend machen“, sagt Erchinger und hat noch ein Ass im Ärmel. Nicht nur über Zoom haben wir die Gelegenheit, renommierte Journalisten zu interviewen. Einer wagt sich tatsächlich in den potentiellen Virenkessel und erscheint vor Ort. Imre Grimm, Journalist und Autor, berichtet von der Rolle der Medien zu Zeiten von Corona und wie er die Ausnahmesituation erlebt hat. Eine schöne Abwechslung zur Zoom-Konferenz, und wir bekommen noch mehr Futter für unsere Endprodukte – alles unter Einhaltung der Hygieneregeln. Lediglich das Mittagsessen überrascht mich. Im Speiseraum sind zwei Tische für jeweils sieben Personen eingedeckt, alle sitzen direkt nebeneinander. Mich beschleicht ein ungutes Gefühl – aber was will man machen? Beim Essen werden Prioritäten gesetzt. Und noch etwas macht der geplanten Durchführung des Seminars mit Arbeiten im Freien einen Strich durch die Rechnung: Petrus hat einen schlechten Tag und schickt uns Regen. Ist also nichts mit „unter blauem Himmel sitzen und sich von der Muse küssen lassen“.

Nichtsdestotrotz bin ich dankbar, dass das Seminar in der Form stattfindet. Weiterbildungen leben vom Austausch mit Referenten und Kolleginnen. Ein direktes Feedback zu den erstellten Produkten ist höchst wertvoll und die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sofort eine Antwort zu erhalten, sehr beruhigend. All das wäre bei einer Onlineveranstaltung so nicht möglich gewesen und deshalb weniger konstruktiv. Ein Veranstaltungstag steht uns noch bevor, aber dem schaue ich freudig entgegen. Ich weiß jetzt, dass auch zu Coronazeiten Fortbildungen durchführbar sind. Um es in den Worten von Hans-Jakob Erchinger zu sagen: „Es muss ja weitergehen.“

Zur Person

Dominique Minkley unterrichtet an der CJD Christophorusschule Elze das Fach Englisch. Sie wird ab dem Schuljahr 2020/21 die Schülerzeitung betreuen, die als freiwillige Arbeitsgemeinschaft einmal wöchentlich zusammenkommt. Gemeinsam mit einer Kollegin ist sie für die Öffentlichkeitsarbeit der Schule verantwortlich.

Interview von Anne Wiegand mit Jörg Sadrozinski am Steinhuder Meer

Anne Wiegand: Sie sagen selbst von sich „Ich bin kein Lehrer“, aber Schulleiter?

Jörg Sadrozinski: Ich war in der Tat Schulleiter. Ich habe von 2011 bis 2017 die Deutsche Journalistenschule in München geleitet. Heute bin ich noch indirekt Lehrer: einerseits für die Reporterfabrik, indem ich Workshops und Tutorials für angehende Journalistinnen und Journalisten erstelle bzw. für alle, die an journalistischen Qualitäten interessiert sind. Andererseits habe ich einen Lehrauftrag an einer Schweizer Hochschule. Aber ein Lehrer im klassischen Sinne bin ich natürlich nicht.

Die Deutsche Journalistenschule hat namenhafte Persönlichkeiten auf ihrem Weg begleitet: Maxim Biller, Günther Jauch, Christine Westermann, Sandra Maischberger, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Welche Eigenschaften sollte ein guter Journalist haben?

Die herausragendste Eigenschaft, die ein Journalist haben sollte, ist, neugierig zu sein. Man muss neugierig auf Menschen und auf Themen sein. Außerdem sollte man sich Offenheit bewahren. Gemeint ist damit, dass man nicht zulässt, dass man mit einer vorgefertigten Meinung an Themen oder Menschen herangeht, sondern man muss zuhören können, um sich daraus eine Meinung zu bilden und um das dann aufzuschreiben, was man gesehen hat.

Und wie sollte ein Journalist nicht sein?

Er sollte nicht voreingenommen sein. Er sollte nicht mit Klischees in ein Gespräch gehen, diese Klischees auch bedienen und davon ausgehen, dass die Welt so sei, wie man sie kennengelernt hat. Die Welt ist nicht schwarz oder weiß, sondern es gibt auch viele Zwischen- und Grautöne. Es kommt auch darauf an, diese zu vermitteln.

Außerdem müssen Journalisten viel stärker darauf achten, dass sie ihre Methoden transparent machen und angeben, woher sie ihre Information haben. „Sagen, was ist“, ist ein guter Leitspruch des Spiegel und darin verbirgt sich ein ganz wesentlicher Punkt. Im Umkehrschluss sollte ein Journalist eben nicht sagen, was nicht ist. Gemeint sind damit Aspekte, die gelogen, geschönt oder stark subjektiv sind. Das ist meiner Meinung nach nicht der richtige Weg, Journalismus zu betreiben.

Lehrer bzw. Dozent sind Sie in gewisser Weise doch mit der Leitung der Reporterfabrik geworden. Was ist das?

Die Reporterfabrik ist eine Journalistenschule für jede und für jeden. Die Idee geht zurück auf Cordt Schnibben und David Schraven, die die Reporterfabrik gegründet haben. Ich leite einen Teil dieses Projekts und zwar das Medienkompetenzprojekt. Dieser Bereich richtet sich direkt an Schülerinnen und Schüler bzw. Lehrerinnen und Lehrer und hat die Vermittlung von Medien- bzw. Nachrichtenkompetenz zum Ziel. Damit sind journalistische Qualitäten gemeint, die wichtig nicht nur für die Kommunikation, sondern für die Gesellschaft insgesamt sind. Diese wollen wir möglichst früh an die Leute bringen. Wir glauben, dass der beste Weg über die Schulen ist.

Was kann man in der Reporterfabrik lernen?

Die Reporterfabrik ist eine Online-Plattform, die es ermöglicht, verschiedene Workshops online im eigenen Tempo und an jedem beliebigen Ort durchzuführen. Es gibt verschiedene Lehrstufen bzw. Schwierigkeitsgrade. Zum einen geht es um die Frage, was Journalismus ist und wie Journalistinnen und Journalisten arbeiten. In der zweiten Stufe wird vermittelt, was Journalisten können sollten und was zum Handwerkszeug gehört. Das folgt dem Grundsatz, dass Journalismus ein Lehr- und Lernberuf ist. Natürlich braucht es auch ein gewisses Talent, aber vom Prinzip her kann man den Beruf erlernen, da es bestimmte journalistische Regeln gibt, die man erlernen und vermitteln kann.

Die Plattform bietet Videotutorials sowie Begleitmaterial. Im Einzelnen kann man ganz verschiedene Dinge lernen. Beispielsweise wird dort schrittweise vermittelt, wie man von der Produktion eines Videos – über das Einfangen der Tonspur, den Einsatz verschiedener Einstellungen, usw. – bis hin zum Schneiden und der Endbearbeitung Videobeiträge erstellen kann. Dabei geht es auch mit ganz einfachen Mitteln: Wie drehe ich mit dem Smartphone einen Videobeitrag? Aber es geht natürlich auch um Texte. Wolf Schneider, der in journalistischen Kreisen auch als der „Sprachpapst“ bezeichnet wird, hat zum Beispiel die wesentlichen Punkte zusammengefasst, worauf es ankommt, wenn man einen guten Text zu schreiben will oder wie man mit Sprache umgeht.

Das sind nur zwei Beispiele. Es gibt noch zahlreiche weitere: Wie führe ich Interviews? Oder wie recherchiere ich richtig?

Was uns auszeichnet, ist, dass es Profis aus der Praxis sind, die journalistisches Wissen vermitteln. Berühmte oder weniger namhafte Reporterinnen und Reporter, Redakteure oder Social Media Experten, die Workshops gestalten und die aus ihrer eigene Erfahrung sehr systematisch aufgebaut schildern, worauf es ankommt, wenn man guten Journalismus betreiben möchte.

Die Reporterfabrik möchte „den Weg in eine redaktionelle Gesellschaft begleiten durch die Qualifizierung von Nicht-Journalisten und Journalisten.“ Was ist eine „redaktionelle Gesellschaft“?

Die Idee dahinter geht auf den Tübinger Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Bernhard Pörksen zurück. Die „redaktionelle Gesellschaft“ geht davon aus, dass heutzutage jeder und jede publizieren kann. Durch das Internet ist es möglich, dass alle auch Produzenten von Inhalten werden. Wenn das so ist, sollte natürlich auch die Gesellschaft nach bestimmten Regeln, wie man sie aus einer Redaktion kennt, organisiert sein. Das heißt, es müsste klar sein, was man sagen kann. Allerdings ist dies nicht immer der Fall, wenn man z.B. an Hate speech, der Beschimpfungen von Andersdenkenden oder Minderheiten, denkt. Wir wollen im Grunde genommen einen Konsens haben, wie wir miteinander in der digitalen Welt reden und kommunizieren. Eben das macht die „redaktionelle Gesellschaft“ aus.

Welchen Mehrwert bietet die Reporterfabrik für Lehrerinnen und Lehrer?

Wir haben ein spezielles Angebot, Reporter4U, wo bewährtes Lehrmaterial von Medien, Initiativen und Organisationen gebündelt wurde. Wir wollten eine Plattform bieten, auf der Lehrerinnen und Lehrer leicht Lehrmaterialen finden, eigenproduzierte Videotutorials oder Beispiele für die Gestaltung von Unterrichtsstunden. Durch viele Gespräche und Schulbesuche haben wir festgestellt, dass in dem Bereich noch ein großes Defizit herrscht. Lehrerinnen und Lehrer werden in dem Bereich der medialen Bildung nicht systematisch ausgebildet. An der Stelle können wir hilfreich sein, indem wir Lehrerinnen und Lehrer durch unsere Kompetenzen unterstützen. Dabei wollen wir niemandem die Position streitig machen, doch ziehen wir an einem gemeinsamen Strang. Die Kultusministerkonferenz hat bereits 2016 den Plan vorgelegt, wie der digitale Wandel in die Bildung zu integrieren sei und Inhalte in die Lehrpläne hineingeschrieben. Aber man lässt die Lehrerinnen und Lehrer meiner Ansicht nach da allein. Dagegen wollen wir angehen und Lehrerinnen und Lehrer unterstützen.

Darüber hinaus gibt es auch noch die Plattform journalismus-macht-schule.org/. Was ist das und wie sind die Plattformen verbunden?

Die Plattform bietet zweierlei: Informationen und Möglichkeiten der Vernetzung.

Die Idee war, diese vielen guten Medien- und Nachrichtenkompetenz-Projekte miteinander zu verknüpfen, um Lehrerinnen und Lehrern den Zugang zu erleichtern, sodass sie sich nicht durch unzählige Angebote arbeiten müssen. Hier werden zielgleiche Angebote gebündelt, um Materialen – auch die der Reporterfabrik – zu nutzen, sie austauschen zu können oder um gemeinsame Projekte auf die Beine zu stellen.

Weiterhin ist dort eine Vermittlungsbörse implementiert, mit der man Ansprechpartner in dem jeweiligen Bundesland findet bzw. in die sich jede Lehrerin, jeder Lehrer, eintragen kann, um eine Journalistin oder einen Journalisten aus der Umgebung einzuladen. In dieser, durch Corona-Beschränkungen gekennzeichneten Zeit, könnte man sie auch virtuell von München nach Hannover oder ins tiefste Brandenburgische per Videokonferenz zuschalten.

Warum ist die Vermittlung von Medien- und Nachrichtenkompetenzen durch die Schule so wichtig?

Wir leben in einer medialen Gesellschaft. Informationsvermittlung geschieht nicht mehr über die klassischen Medien – Fernsehen, Zeitung, Radio –, sondern die meisten Menschen informieren sich über das Internet. Im Internet wird nicht immer klar, woher die Information stammt und auf welchen Quellen die Nachricht basiert. Deshalb ist es wichtig, wenn wir eine Gesellschaft informieren wollen, dass diese Gesellschaft auch in der Lage ist, zu prüfen, woher diese Information stammt. Wo sind die Quellen? Sind die Quellen nachprüfbar und verifizierbar? Hat man sich das selbst ausgedacht oder ist es auf Fakten basiert? Daher ist die Vermittlung von Medien- und Nachrichtenkompetenzen so wichtig. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Medien eine sehr große Rolle für die Informiertheit spielen. Aus diesen Gründen brauchen wir diese Fähigkeiten, sich selbst ein Bild zu verschaffen.

Zur Person

Jörg Sadrozinski studierte Diplom-Journalistik in München und absolvierte eine Ausbildung zum Redakteur an der Deutschen Journalistenschule, die er selbst von 2011 bis 2017 leitete. Er arbeitete u.a. für die Süddeutsche Zeitung, die dpa, den Bayerischen Rundfunk und den NDR. Er wurde Chef vom Dienst bei den Tagesthemen und dem Nachtmagazin. Er baute als Redaktionsleiter das Internetportal tagesschau.de mit auf und arbeitete als Mitglied der Chefredaktion von ARD-aktuell. Seit 2017 leitet er das Medienkompetenzprojekt der Reporterfabrik von Correctiv. Außerdem arbeitet er als Dozent und freier Journalist.

Zur Person

Anne Wiegand unterrichtet am Geschwister-Scholl-Gymnasium Berenbostel die Fächer Deutsch und Englisch. Sie leitet u.a. die Schülerzeitung SchollZ.

Der ehemalige Spiegeljournalist Cordt Schnibben über die Notwendigkeit der journalistischen Grundlagenausbildung, Fehler in der Corona-Pandemie und seinen Weg zurück in den journalisti-schen Alltag.

Von Tim Hoffmann

Cordt Schnibben ist Gast bei der diesjährigen n-report-Fortbildung mit dem Schwerpunkt journalistischer Grundlagen, doch wirklich anwesend ist er nicht, mithilfe eines Beamers ist er per Video-konferenz zugeschaltet. Es ist inzwischen kein ungewohntes Bild mehr. Bei den Zuhörern herrscht eine aufmerksame, aber irgendwie auch angespannte Stimmung.

Schnibben ist preisgekrönter Journalist, leitete unter anderem mehrere Jahre das Gesellschafts-ressort des Nachrichtenmagazins Spiegel und gab zuletzt das Buch „Corona. Geschichte eines angekündigten Sterbens“ heraus. Entsprechend des Buchtitels ist auch Schnibbens Stimmung. Ihm gehe es derzeit nicht so gut, er habe Fieber, Husten und fühle sich unwohl. Den Humor hat er jedoch nicht verloren. „Das wäre eine gelungene Pointe, sollte ich jetzt daran erkrankt sein, woran ich die letzten Wochen geforscht habe.“

Eigentlich beendete Schnibben seine journalistische Karriere bereits vor mehreren Jahren und betrachtet sich nun auch als Familienmensch, der gern auf Sylt urlaubt. Er selbst sieht sich in seiner Aufgabe ausgefüllt, sein Wissen an die jüngere Gesellschaft weiterzugeben. Es ist ihm wichtig, den angehenden YouTubern, Bloggern oder Instagramern das journalistische Handwerk näherzubringen, „damit ihr Grundwissen und die Qualität der Beiträge besser wird.“ Kinder und Jugendliche seien durch digitale Medien, wie z. B. Podcasts, heute gut informiert. Doch bestehe immer die Gefahr von „Blödsinn und Fakenews“, wie Schnibben ernst erzählt. Als gelungenes Beispiel für eine sinnvolle Symbiose klassischer und neuer Medien sieht er dabei den Podcast des NDR mit dem Top-Virologen Christian Drosten.

Um jungen Menschen in ihrer journalistischen Funktion zu helfen, arbeitet Schnibben mit an der Entwicklung der Websites Reporterfabrik und Bürgerakademie, mit dem Ziel, nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch Lehrkräfte als Multiplikatoren journalistischer Grundlagen auszubilden. Für Schnibben ist journalistische Aufklärung wichtig, von allein komme diese jedoch nicht zu den jungen Menschen. Zwar gebe es von Seiten der Kultusministerkonferenzen Vorgaben für den Unterricht, doch sieht Schnibben diese kritisch: „Ich glaube, viele Ideen der Kultusministerkonferenz kommen von Menschen, die nicht viel mit dem Alltag in den Schulen zu tun haben.“ Er fordert daher, dass Journalismus integraler Bestandteil des Unterrichts werden muss.

Zurück in den Alltag

Die aktuelle Corona-Pandemie hat bei Schnibben ein Umdenken bewirkt, weg vom heimischen Familientisch, zurück auf den harten Schreibtischstuhl der journalistischen Arbeit. „Das Virus hat mich zurückgezerrt, ich habe gespürt, dass der Bedarf da ist, hierzu den Menschen etwas mitzuteilen.“ Er führt einige wichtige Erlebnisse an, die ihn zu dieser Erkenntnis brachten: Am Ostersonntag musste er mit der Familie eine Videokonferenz abhalten. Das traditionelle Kaffeetrinken war aufgrund des beschlossenen Lockdowns und der Ausgangssperre verboten. Spätestens da dachte sich Schnibben: „Was passiert gerade in meinem Leben?“ Nachdem dann auch noch vier Bekannte und Freunde am Virus, teils sehr schwer, erkrankten, sei für ihn die Erkenntnis gereift, dass er etwas über das Virus schreiben müsse.

Für die Arbeit am Buch stellte sich Schnibben ein Team von Experten zusammen, das bereits längere Zeit am Virus und dessen Auswirkungen forschte. „Ein Buch mit knapp 400 Seiten zu verfassen, in nur zwei Monaten, das ist ohne ein eingespieltes Team nicht möglich.“ Schnibben selbst half bei der Struktur, achtete darauf, dass bei der Fülle an Mitarbeitern ein Rädchen ins andere griff.

Fehler über Fehler

Inhaltlich sieht er das Buch als aufklärerisches Werk und wirft der Bundesregierung offen Fehler vor. „Seit 2003 haben wir das Wissen, dass es viele Viren gibt, die von der Tierwelt auf den Men-schen überspringen können und gefährlich sind!“ Sowohl das Robert-Koch-Institut als auch Prominente, wie zum Beispiel Bill Gates, forderten seither, einen Grundimpfstoff zu entwickeln, welcher auf die jeweiligen Gegebenheiten des Virus angepasst werden kann. Seit 2003 sei diese Entwicklung eigentlich möglich gewesen, „passiert ist aber nichts“, so Schnibben.

Auch nach Bekanntwerden der akuten Gefahr seien elementare Fehler gemacht worden: „Während andere Länder wie Südkorea oder Taiwan sofort reagiert haben, wurde die Lage bei uns viel zu spät ernst genommen.“ Erst am 22. März reagierte die Bundesregierung mit dem Lockdown. „Zu spät“, sagt Schnibben. Er schätzt, dass es durch ein früheres Eingreifen gut 100.000 Infizierte weniger gegeben hätte. Auch gebe es seit 2015 konkrete Pläne zum Umgang mit Pandemien und deren Prävention. Die Bundesregierung aber baute laut Schnibben die Gesundheitsämter ab – obwohl diese in Zeiten der Pandemie die zentrale Anlaufstelle im Kampf gegen ein Virus sind. So kam es dazu, dass Masken sowie lebenswichtige Beatmungsgeräte fehlten. „Und anstatt Urlauber, die kurz vor dem Lockdown noch in den Krisengebieten waren, direkt in Quarantäne zu schicken, wurden diese, trotz Warnungen, direkt wieder ins öffentliche Leben entlassen.“ Schnibbens Stimme hebt sich bei diesen Ausführungen, beruhigt sich dann aber wieder und offenbart seinen klaren Blick. „Wir müssen gemeinsam für eine bessere Aufklärung sorgen und junge Menschen befähigen, ihre Reichweite in sozialen Netzwerken gut und sinnvoll zu nutzen, damit sie rechtzeitig einen sinnvollen Beitrag leisten können und frühzeitig aufklären. Die Menschen müssen verstehen, was sie in solchen Situationen zu tun haben.“

Schnibben beendet die Videokonferenz mit einem Genesungswunsch an sich selbst: „Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass ich nicht selbst erkrankt bin, davor habe ich natürlich Angst.“ Diesmal steckt erkennbar kein Humor in seinen Worten.

Zur Person

Tim H. Hoffmann unterrichtet seit 2017 am Erich Kästner Gymnasium Laatzen die Fächer Sport und Deutsch. Er betreut die Zusammenarbeit mit Sportvereinen der Region und unterstützt in Form von Video- und Textbeiträgen die Öffentlichkeitsarbeit der Schule. Ab dem Schuljahr 2020/21 leitet er die Film- und Foto-AG der Schule.

Imre Grimm arbeitet seit 2013 als Redakteur beim RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Dort schreibt er im für das Ressort Gesellschaft. Vorher hat er 20 Jahre bei der Hannoverschen Allgemeine Zeitung gearbeitet.

Franziska Karas: Sie haben den Artikel „Die Deutschen Medien und Corona – eine Zwischenbilanz“ geschrieben. Dabei haben Sie eine dreiteilige Phaseneinteilung vorgenommen. Wie liefen Ihre Recherchen ab? 

Imre Grimm: Die drei Phasen sind eine subjektive Beobachtung. Kurz erklärt: In der ersten Coronaphase war, was die Medien angeht, eine große Arroganz im Spiel. Wir haben alle gedacht, da passiert im fernen China was, die machen da Sachen, die wir nicht verstehen – ziemliche westliche Überheblichkeit eben. Zweite Phase: alle klammern sich unter, jetzt müssen wir gemeinsam. Dritte Phase: der große Konsens bricht auf. Leute werden nöliger, Maske bäh, Merkel doof usw. Das sind diese drei Phasen.

Der Anfang dieser Recherche war relativ einfach. Ich habe bei der dpa gefragt, wann die erste Geschichte dazu erschienen ist. Das war praktisch der Urknall. 

Die Recherche für den zweiten Punkt war ganz einfach, da musste ich nur bei uns in die Redaktion gucken. Wir haben das Interesse jeden Tag beobachtet. Wir haben einen Chartbeat, so heißt das. Das ist eine Liste, da geht es jetzt allein um die Quote. Das darf nicht das einzige Kriterium sein, niemals, aber natürlich ist es ein Gradmesser für das, was gerade draußen interessant ist. Und dort waren die ersten 40 bis 50 Geschichten des Tages ohne jede Ausnahme Corona. Was gilt wo? Wie ist der Stand der Dinge in den Bundesländern? Es war einfach sozusagen die Vernunfterkenntnis, das ist jetzt notwendig, das machen wir jetzt. 

Wie sehen Sie die Kommunikation zwischen Politik und Bürgern in der Pandemie? Und welche Rolle haben die Medien dabei gespielt oder besser, welche Rolle hätten sie dabei spielen müssen?

Also wir sind ja die Schnittstelle zwischen Politik und Bürgern, wir haben sozusagen die Aufgabe, das, was entschieden wird, zu ventilieren. Im Fall von Corona ist es so gewesen, dass es einen sehr großen Konsens darüber gab, was jetzt zu tun ist in der ganzen Unsicherheit, die alle teilen. Damals in der ersten Phase war die Zahl der Eilmeldungen im Sekundentakt so groß, dass wir gar nicht bei jedem Thema die üblichen kritischen Fragen stellen konnten. Nämlich: Ist das vernünftig? Gibt es Alternativen? Wer hat das entschieden? Welche Interessen sind im Spiel? Weil dann – zack – schon wieder die nächste Eilmeldung kam, in einer Größenordnung, die man sonst zwei Mal im Jahr hat. Man muss sich das so vorstellen, allein im März gab es 281 Eilmeldungen von der dpa. Normal sind zwei Dutzend im Monat. Und Eilmeldung bei der dpa heißt, das ist schon echt ein Knaller. Nehmen wir das Beispiel „Europäer dürfen nicht mehr nach Amerika einreisen“. In normalen Zeiten hätte uns dieses Thema allein drei Wochen beschäftigt. Drei Wochen! So sind es drei Stunden gewesen. Es soll keine Entschuldigung für Versäumnisse sein, aber ich glaube es ist eine Erklärung dafür. Zum Beispiel wurde die Frage, wie geht es den Familien, zu spät gestellt. Es ging sehr viel um Wirtschaft. Wir hätten daran erinnern müssen, Freunde, es gibt nicht nur Wirtschaft, es gibt auch Familien. Das ist nicht einer strategischen Entscheidung der Medien geschuldet, sondern das ist schlicht und einfach der Masse geschuldet, die wir zu verarbeiten hatten. Ich glaube, da sind Versäumnisse entstanden. Ja, ich glaube, manche Themen hätten wir als Medien früher anschneiden müssen. 

Ich sag immer, Angst wächst in den Lücken, die das Wissen lässt. Zu wissen, was läuft da, und wer hat recht? Dann kam uns in der Zeit eine besondere Verantwortung zu und das haben wir auch gespürt und der einzige Weg, damit vernünftig umzugehen, ist zu sagen, das wissen wir, das wissen wir nicht. 

Warum haben die Medien diesmal so viel besser gearbeitet als zu Zeiten der Flüchtlingskrise? 

Das ist eine sehr gute Frage, finde ich und ich glaube, das ist auch so.

Es sind mehrere Gründe. Der eine ist, dass wir nicht wieder so ein Chaos haben wollen wie bei der Flüchtlingskrise. Also da war es so, dass die Berichterstattung von Anfang an komplett aus dem Ruder lief, weil sofort Ideologie im Spiel war. Bei Corona ging es nicht um Ideologie, bei Corona ging es um etwas anderes; es war einfach jeder, wirklich jeder Einzelne auf eine bestimmte Art betroffen, der eine so der andere so. Der eine hat Angst um seinen Friseursalon, der andere weiß nicht wohin mit seinen Kindern, und am Ende geht es auch noch ums Leben. Diese existentielle Not hat bei uns, das habe ich selber so beobachtet, ich will das jetzt nicht so banalisieren, aber so eine Art Sportsgeist entwickelt. Den Vorsatz, wir wollen das jetzt mal richtig machen. Wir haben viel Vertrauen aus verschiedenen Gründen verspielt und wir benutzen das jetzt mal als Möglichkeit, um zu checken, ob wir‘s noch drauf haben (lacht). Nämlich darüber zu informieren, was wichtig ist, die Spreu vom Weizen zu trennen. 

War das auch ein Beweggrund für den Podcast? Oder gab es da noch ein Schlüsselerlebnis?

Nee, also ein Schlüsselerlebnis gab es nicht, aber die Erkenntnis, wow, das betrifft ja jetzt wirklich mal jeden, vom Bestatter bis zum Apotheker, vom Polizisten bis zur Grundschullehrerin, vom Kabarettisten bis zum Kulturveranstalter. Und da habe ich gedacht, ich rede mal nicht über sie, sondern mit denen, das ist eigentlich immer ganz günstig (lacht). Das hat dann dazu geführt, dass ich in der Coronazeit so viel draußen unter Menschen war wie eigentlich seit Jahren nicht (lacht). Ausgerechnet in der Coronazeit. Und da sind 30 Gespräche entstanden, die alle berichteten, wie Corona ihr Leben verändert hat. Vom Supermarktleiter, der auf einmal anfing zu heulen. Er saß vor mir und ich fragte ihn, wie es gerade mit seinem Team läuft und da fing er an zu weinen, weil ihn das so gerührt hat, was sein Team in dieser Zeit an Sonderleistungen erbracht hat. Nicht nur von der Zeit her, sondern auch diese Angriffe, denen sie ausgesetzt waren, wenn jeder unbedingt die vierte Packung Klopapier haben wollte. Das ist mir mehrmals passiert in dieser Reihe. Eine Tagesmutter fing einfach an zu weinen, weil ihr die Kinder so fehlten. Das war auch so ein Zeichen dafür, wie tief das geht. Wir sind ja nicht unbetroffen, wir waren alle im Homeoffice, wir wussten auch alle nicht wohin mit unseren Kindern. Wir haben genau das gleiche erlebt wie alle anderen auch, wir hatten Verdachtsfälle in der Redaktion, ein Kollege aus einer anderen Redaktion ist daran gestorben. Das war nicht irgendein Thema und das ist es immer noch nicht. 

Hat sich der Journalismus dadurch verändert? Wenn Sie sagen „Wir sind besser geworden“, kann man das auf andere Themen übertragen? 

Das ist die Gretchenfrage. Wie lange hält sich das, und wie lässt sich das auf die Zukunft übertragen? Ich glaube, am Ende erleben wir so eine kleine Renaissance der Sachlichkeit. Ich glaube daran, dass wir den Wert von Wissenschaft anders einschätzen. Ja, ich habe die Hoffnung, dass sich das verändert hat und dass sich bestimmte Instrumente auf andere Themen übertragen lassen.

Zur Person

Franziska Karas unterrichtet an der Renata Realschule in Hildesheim die Fächer Deutsch, Religion und Geschichte/Erdkunde/Politik (GSW). Dort hat sie die Schüleronlinezeitung gegründet und leitet den Wahlpflichtkurs „Journalismus“. Außerdem ist sie Datenschutzbeauftragte der Schule und für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

"Was habe ich mit Walther von der Vogelweide zu tun?"

Praxisbericht von Kathrin Bialas

Gedichte und insbesondere deren scheinbar nutzlose Interpretation sind oftmals das Hassthema meiner Schüler. Nichtsdestotrotz steht im Kerncurriculum für meine elfte Klasse am Beruflichen Gymnasium Technik der verbindliche Unterrichtsinhalt „Motivverwandte Gedichte aus verschiedenen Epochen analysieren und interpretieren“. Inspiriert vom medialen Input der Fortbildungsreihe n-report digital habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich meinen überwiegend männlichen und technik-affinen Schülern Lyrik multimedial näherbringen kann.

Mediale Alternative zum „traditionellen“ Modell der Gedichtinterpretation

Neben Filmbeiträgen zu Gedichten oder passenden Fotostrecken können insbesondere Audiobeiträge die Stimmung dieser Texte gut vermitteln und bieten Raum für eine dialogische Auseinandersetzung. So hat also auch der, nennen wir es „kritische“ (also gedichtehassende), Schüler die Möglichkeit, zu Wort zu kommen, wobei wiederum andere Schüler den Part des Verteidigers oder gar Befürworters einnehmen können. Bestenfalls entstehen eine facettenreiche, multiperspektivische Reflexion und Interpretation eines Textes, die eine mediale Alternative zum „traditionellen“ Modell der Gedichtinterpretation bietet.
In einem Podcast sollen sich also mindestens vier Schüler nach betonter Lesung des Gedichts dialogisch innovativ und kreativ u.a. mit folgenden Fragen auseinandersetzen:

  • Welche Relevanz hat der Text für mich?
  • Inwiefern ist er heute aktuell?
  • Welche Gefühle/Stimmung/Atmosphäre löst er aus?
  • Gibt es unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten?
  • Welche Hintergrundinformationen sind für den Zuhörer wichtig?

Die Lerngruppe ist meine „eigene“ elfte Klasse aus dem Beruflichen Gymnasium. Die Schüler kamen im August 2020 neu an unsere Schule und bildeten durch die von uns organisierten Einführungstage und durch den Unterricht im Klassenverbund eine gute Klassengemeinschaft aus, weshalb sie sich besonders gut für ein Medienprojekt eignen.
Zudem sind sie neuen Medien gegenüber aufgeschlossen und bringen von den verschiedenen „Herkunftsschulen“ viele unterschiedliche eigene Ideen mit. In der Einführungsphase sind wir etwas freier in der Unterrichtsgestaltung als in der durch zahlreiche Pflicht- und abiturrelevante Wahlpflichtmodule geprägten Oberstufe, was die Umsetzung eines umfangreicheren, prozessualen Medienprojekts erleichtert.

Podcast zum Thema „Lyrik im Kontext der Zeit“

Nun geht‘s los. Die Idee, einen Podcast zum Thema „Lyrik im Kontext der Zeit“ mit mehreren Episoden zu erstellen, trifft auf positive Resonanz. Insbesondere weil Produktion und Ergebnis als Klausurersatzleis-tung benotet werden und die Schüler auf eine schriftliche Gedichtinterpretation verzichten dürfen.
Die Schüler finden sich schnell in Gruppen mit vier bis fünf Mitgliedern zusammen und suchen sich selbst-ständig ein Gedicht zu der von ihnen gewählten Epoche heraus. Vertreten sind später die Epochen Mittelalter, Aufklärung, Romantik und Gegenwartsliteratur. In den Gruppen kann insofern differenziert und individualisiert werden, als dass sich jeder Schüler eine Tätigkeit passend zu den eigenen Wünschen, Kenntnissen und Stärken zuteilen kann. Manch einer liest gern betont vor, ein anderer kritisiert gern den Zweck und Nutzen von Literatur, den wiederrum ein Schüler argumentativ verteidigt und ein weiterer tratscht gern hörerzugewandt und mit einem hohen Unterhaltungswert. Ganz nebenbei befassen sich die Schüler dennoch mit der jeweiligen Epoche, dem Gedichtinhalt sowie den Interpretationsmöglichkeiten.

Aufnahmen, Schnitt und Audiobearbeitung

Hinzu kommen insbesondere an unserer Schulform die technik-affinen Schüler, die sich gern mit dem Schnitt und der Audiobearbeitung auseinandersetzen. In Corona-Zeiten, in denen der Unterricht zeitwei-se in Szenario B und schließlich als Distanzunterricht stattfinden muss, ein enormer Vorteil, sodass die Schüler sehr gut digital zusammenarbeiten und ihre technische Bearbeitung Zuhause durchführen können. 

Dies wird insbesondere durch die praxisnahen Tipps unterstützt, die ich den Schülern aus der n-report-Fortbildung zum Thema „Audio-Podcasting“ in Zusammenarbeit mit Heise-Medien weitergeben kann. So sitzen die Schüler beispielsweise Zuhause im improvisierten Tonstudio, ihrem möglichst vollgestopften Kleiderschrank, da dort die Dämmung am besten ist und Störgeräusche weitestgehend ausgeschlossen werden können (Foto 2). Das Smartphone mit Audiorecorder halten sie dabei wie ein Toastbrot kon-zentriert waagerecht vor sich, um die optimale Klangqualität zu erreichen.
Zudem sind die schülergerecht aufgearbeiteten Materialien des multimediamobils Südost sowie die kurzfristig einberufene Online-Fortbildung des Schul-Internetradios n-21 mit Frau Deseke in Bezug auf die Arbeit mit Audacity sehr hilfreich. Darüber hinaus bietet n-21 eine tolle Plattform, um die eigenen Podcasts kostenlos und unter vorheriger Prüfung zu veröffentlichen.
Um einen einheitlichen Auftritt unserer Schule online zu gewährleisten, wird vor die Schülerpodcast-Episoden ein schuleigener Jingle geschnitten; eine Schülergruppe kreiert zudem – einfach, weil es ihnen Spaß macht und das ist toll zu sehen – noch einen eigenen Jingle.
Insgesamt entstehen vier ganz unterschiedliche Episoden, in denen sich Schüler in einem ihnen bekann-ten und bevorzugten Medium kritisch und unterhaltsam mit Texten verschiedener Epochen auseinander-setzen.

„Walther“ ist also auch heute noch aktuell

Natürlich gibt es auch – wie in einer schriftlichen Gedichtinterpretation – Stolpersteine, die man im Podcast erst beim Hören bemerkt. Beispielsweise liegen kleinere fachliche Fehler vor, wenn von „Zeile“ statt „Vers“ gesprochen wird, das „lyrische Ich“ als „Erzähler“ betitelt wird oder Schüler „für“ oder „gegen“ ein Gedicht sind. Auch muss man als Lehrer damit leben, dass ein Schüler zielgruppengerecht formu-liert, dass er das Gedicht ‚Unter den Linden‘ von Walther von der Vogelweide (von den Schülern kumpelhaft „Walther“ genannt) „relativ kacke“ finde oder es ihm „das Gefühl von Langeweile oder Angenervtheit“ gebe. Ein Lichtblick jedoch, wenn der Gegenpart von „Schmetterlingen im Bauch“ spricht und es sogar schafft, aus dem Mittelalter die Verbindung zu den sozialen Medien herzustellen, in denen es (auch) oft um „alte Sprüche oder Zitate rund um die Liebe“ gehe und die Aktualität des Themas betont.
Letztendlich muss man sich fragen: Was ist mehr wert – wenn die Schüler sich in der schwierigen Corona-Zeit gemeinsam motiviert und medial mit literarischen Texten auseinandersetzen oder wenn sie einzeln krampfhaft versuchen schriftliche Formfehler zu verhindern?
„Walther“ ist also auch heute noch aktuell, man muss ihn nur mal (wieder) hören.

Anmerkung: Zur Vereinfachung und Verkürzung wurde in diesem Beitrag auf die Nennung der geschlechtsspezifischen Form verzichtet.


Zur Person:
Kathrin Bialas unterrichtet Deutsch, Geschichte und Politik an der BBS 2 in Wolfsburg. Sie ist Teamleiterin für das Fach Deutsch und organisiert den jährlichen schulinternen Poetry Slam.

Facharbeiten für die schulische Öffentlichkeit nutzen - Was macht man mit dem neuen Wissen?

Praxisbericht von Anja Eckstein

Scharnhorstgymnasium Hildesheim, Jahrgang 12

Die Ausgangslage

„Journalismus macht Schule“ – langsam, aber stetig und das ist gut so. Während in der Vergangenheit im Deutschunterricht des 8. Jahrgangs über journalistische Darstellungsformen gesprochen wurde und die Jugendlichen sich zumindest theoretisch einmal ausprobieren sollten, steht nun die aktive Umsetzung stärker im Fokus. Im Englischabitur verfassen Schülerinnen und Schüler Blogbeiträge, in Deutsch schreiben sie einen Kommentar. Den meisten fehlen jedoch nach wie vor reale „journalistische“ Erlebnisse.
Dies war unter anderem der Anlass, im 12. Jahrgang ein Seminarfach zu etablieren, in welchem sich seit nunmehr einem Jahr 21 Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen Themen des journalistischen Arbeitens befassen. Dabei soll es sowohl um aktuelle Entwicklungen in der Berichterstattung gehen, wie zum Beispiel die Zunahme der Internetpräsenz oder das Problem der Fake News, als auch um den Erwerb von Grundfertigkeiten journalistischen Arbeitens. Um Letzterem die notwendige Öffentlichkeit zu bieten, übernahmen die Schülerinnen und Schüler die Zuständigkeit für unseren Schülerblog „SchulHofGefluester“. Dort werden mehr oder weniger regelmäßig Beiträge zu verschiedenen Themen veröffentlicht.

Die Facharbeit

Wie in jedem Seminarfach stand auch für diese Gruppe das Verfassen einer wissenschaftlichen Hausarbeit im zweiten Semester an. Um sich noch tiefer in das Themenfeld „Journalismus“ einzuarbeiten, stand dieser auch im Zentrum der verpflichtend zu erstellenden Facharbeiten im zweiten Halbjahr des 12. Schuljahres. Die Schülerinnen und Schülern hatten sehr schnell viele Ideen und zeigten großes Interesse an einer differenzierteren Betrachtung journalistischer Aufgaben. Die Spannweite reichte von der Frage, wie es um die Printausgabe der lokalen Tageszeitung steht und welchen Einfluss dabei die Digitalisierung hat bis zu kritischen Betrachtungen der Pressefreiheit in der Türkei, in Nordkorea oder auch China. Andere entschieden sich, der Frage nachzugehen, wie Fake News unser Leben beeinflussen und wie zuverlässig Journalistinnen und Journalisten heutzutage noch arbeiten (können), da sie ständig unter einem gewissen Erwartungs- und Zeitdruck stehen.
Ihre Erkenntnisse konnten die Jugendlichen bereits im Rahmen einer Online-Gesprächsrunde mit Jürgen Rink von c’t im Rahmen des Projekts „Journalismus macht Schule“ einbringen. Man erkannte sehr schnell, mit welcher Begeisterung die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler in die Themen eingetaucht war und mit vielen neuen und spannenden Erkenntnissen aus dem ‚Prozess‘ Facharbeit wieder herauskam.

Themen der Facharbeiten waren zum Beispiel 

  • Die Bedeutung von Medienkompetenz für Jugendliche
  • Die Präsenz von Wissenschaft und Forschung in den Medien
  • Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei
  • Die veränderte Bedeutung von Tageszeitungen (am Beispiel der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung)
  • Medien in der Welt des Sports
  • Seriosität im Journalismus

Von einigen Ergebnisse waren die Schülerinnen und Schüler selbst überrascht, da ein vertieftes Nachdenken über journalistisches Arbeiten und die damit einhergehenden Herausforderungen in dieser Form bisher nicht zu ihren Interessengebieten gehörte. Auch der Austausch im Seminarfach hätte die Themenvielfalt der Arbeiten nie abdecken können.

Der neue Weg

Die neuen Erkenntnisse sollten nach Abschluss der Facharbeiten nicht in einem Archivordner in der Schulbibliothek verschwinden, wie das allzu oft geschieht. Das erschien einfach nicht richtig nach sechs Wochen intensiver Arbeit. Daher wurde entschieden, das neue Wissen für die Schülergemeinschaft der Schule in verschiedenen Projektbeiträgen umzusetzen, die auf dem Schülerblog schrittweise veröffentlicht werden sollten.
Die Schülerinnen und Schüler mussten sich für die Veröffentlichung der Ergebnisse ihrer Facharbeit noch einmal intensiv mit ihrem Thema beschäftigen. Zum einen galt es, das erworbene, umfangreiche Wissen quantitativ zu reduzieren, denn in der Regel umfassten die Arbeiten zwischen zehn bis 15 Inhaltsseiten. Zum anderen mussten die inhaltlichen Schwerpunkte überdacht werden, da die Leserschaft nun nicht mehr die Fachlehrkraft sein würde, sondern hauptsächlich Schülerinnen und Schüler mit einer Altersspanne von elf bis 18 Jahren. Dies stellte sich für viele Schülerinnen und Schüler als eine besondere Herausforderung dar. Ergänzend dazu wollten einige nicht schreiben, sondern sich im Bereich Video oder Podcast ausprobieren.
Am Ende führte der Versuch, mit dem Wissen aus den Facharbeiten neue Wege zu gehen, tatsächlich dazu, dass eine Mehrheit der Jugendlichen mit Eifer und Spaß an die Umsetzung ihrer Ideen ging, um die Schulgemeinschaft vielseitig über das Thema „Journalismus“ zu informieren.

Die Ergebnisse

Die anfängliche Begeisterung für crossmediale Projekte fand bei einzelnen Schülerinnen und Schülern im Kontext ihrer täglichen schulischen Belastung durch Hausaufgaben, Pflichtthemen und Klausuren leider schnell ein Ende. Die Realität hielt Einzug und man entschied sich, doch beim schriftlichen Beitrag zu bleiben. Hier zeigte sich für alle, dass „mal ein Video dazu machen“ seine Zeit braucht – vor allem, wenn man seine eigenen Ansprüche an die Qualität nicht zu sehr zurückschrauben möchte.
Die Spannbreite der schriftlichen Beiträge reichte am Ende von dem Versuch einer Glosse bis hin zum Kommentar. Andere Schülerinnen und Schüler der Gruppe blieben jedoch am Ball, planten, nahmen auf und schnitten zusammen, um abschließend ein Erklärvideo zur Rolle seriöser Berichterstattung, ein Podcast zur Pressefreiheit in der Türkei und in China oder auch eine Bildergeschichte zur gesellschaftlichen Wahrnehmung von „Kriegsreportern“ entstehen zu lassen. Diese werden nun schrittweise der schulischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Eine Evaluation, wie diese Angebote in der Schulgemeinschaft aufgenommen werden, wird dann im neuen Schuljahr im Seminarfach stattfinden.

Hier geht es zum Schülerblog „SchulHofGeflüster“ des Scharnhorstgymnasiums Hildesheim.


Zur Person: 
Anja Eckstein unterrichtet am Scharnhorstgymnasium in Hildesheim. Sie ist für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ihrer Schule verantwortlich. Darüber hinaus baut sie einen Schülerblog an ihrer Schule neu auf.

"Dann mach mal!" - Von der Idee zum Film in 28 Tagen

Praxisbericht von Frank Diedrichs

Carl-Prüter-Schule Oberschule Sulingen

Eine Idee wird geboren und ein Auftrag erteilt

Am 23. Februar 2021 endete nach fünf Stunden intensiver Arbeit das erste Modul zum Thema „Videojournalismus“ des n-report-Projekts „Journalismus macht Schule“. Grundzüge der Filmarbeit und des Schneidens führten bei uns Teilnehmenden zu ersten Produkten: Filme über die eigenen Kinder im Distanzlernen oder auch der Heißhunger auf Porridge zeigten bereits das Potential.
In Gesprächen sammelten wir weitere Ideen. Es fiel der Begriff des One-Shot-Videos: ein Video, gedreht in einer einzigen, schnittfreien Einstellung. Diese Idee ließ mich nicht mehr los. Ich machte mir zu Hause Gedanken über die Einbindung in meinen Unterricht. Eine eigene Medien-AG kam leider aufgrund der Corona-Situation nicht zustande. Die meisten Lerngruppen befanden sich in Szenario C, nur die Abschlussklassen waren regelmäßig in der Schule.
Am Tag nach dem Modul teilte ich meinem Schulleiter meine Idee mit. Gerade die Möglichkeit, mit einem One-Shot-Video einen Image-Film für die Schule zu erstellen, sprach ihn direkt an. Unser Gespräch endete mit seiner Aussage: „Dann mach mal, du hast vier Wochen Zeit!“
Wir beide sahen in einem Image-Film die Möglichkeit, vor den anstehenden Anmeldungen der Grundschulkinder unsere Schule und unser Kollegium zu präsentieren. Der Plan war, mit der Kamera durch das Schulgebäude zu laufen. An verschiedenen Stellen im Gebäude würden Kolleginnen und Kollegen sowie Schülerinnen und Schüler Aktionen vorführen, die einen direkten Bezug zu unserem Schulleben haben.

Die Planung der Aktionen

Die Planungen für ein Projekt dieses Formats belaufen sich in der Regel auf mehrere Monate. Vor dem Kollegium und mir lag eine sportliche Aufgabe. Beim Initiieren von neuen Projekten steht an erster Stelle immer die Überzeugungsarbeit. Dies sollte auch bei meinem Vorhaben nicht anders sein. Einige Lehrkräfte waren zu Beginn skeptisch. Sie sprachen von „der immer mehr belastenden Arbeit im Distanzlernen“ und stellten häufig die Frage, ob „das denn alles sein müsse, wir haben ja genug zu tun.“
Als hilfreich erwies sich, dass der grobe Ablauf mit dem genauen Ziel schon im Vorfeld festgelegt wurde: Das Kollegium konnte Umfang und Dauer des Projektes gut einschätzen und war leichter zu überzeugen.
Eine Arbeitsgruppe war schnell gegründet. Auch Schülerinnen und Schüler wurden schnell gefunden, die bereit waren, an diesem Projekt teilzunehmen.
Durch die voranschreitende Digitalisierung konnten die Lehrkräfte sich über den internen Messenger verständigen, sodass früh zwei Arbeitstreffen stattfanden.
Mit Hilfe eines kollaborativen Dokuments wurden Ideen gesammelt und gebündelt. Diese Form der Zusammenarbeit entlastete die Mitwirkenden, da der Austausch unabhängig von Zeit und Ort erfolgte. Des Weiteren blieb die Entwicklung des Projekts zu jedem Zeitpunkt transparent.
Wichtig war mir an dieser Stelle, dass auch die Jugendlichen ihre Ideen einbringen konnten. Sie fokussierten ihren Einsatz auf die Darstellung unseres Schwerpunktes Sport und der Berufsorientierung.
Als Koordinator hatte ich immer im Blick, dass alle Bereiche (Fachgruppen aber auch beispielsweise das Präventionsteam oder das Sekretariat) involviert werden.

Die Vorbereitung des Drehs

Parallel zu den Planungen liefen die Vorbereitungen für den Dreh. Die Punkte der Aktionen im Schulgebäude wurden im Grundriss markiert. Es wurde überlegt, welche Wege am sinnvollsten sein würden, sodass viele Bereiche der Schule im Bild sein würden. Mehrmals ging ich mit Hilfe von Schülerinnen und Schülern den Weg ab. Zeiten wurden gestoppt, Wege verworfen, der Ablaufplan umgestellt oder Aktionen an andere Orte positioniert. Als schwierig stellte sich heraus, wie viel Zeit man einzelnen Aktionen zugestehen sollte.
Entscheidungen mussten auch bezüglich des Equipments getroffen werden. Die Wahl fiel auf die Smartphone-Kamera in Verbindung mit einem sogenannten Gimbal: eine Steady-Cam für Smartphones.

Das One-Shot-Video sollte ohne Sprache gefilmt werden. Folglich lizenzierten wir Musik. Für die unterrichtliche Arbeit eignet sich mit Sicherheit die Einbindung der Musiklehrerkräfte und ihrer Klassen, um beispielsweise Filmmusik eigenständig zu komponieren. Aufgrund der Kürze der Zeit war uns dies nicht möglich.
Während ich mich um den Dreh kümmerte, liefen die Vorbereitungen für das Set weiter. Nach dem ersten Arbeitstreffen hatten Lehrkräfte weitere Gruppen gebildet, die die Aktionen vorbereiteten. Im Rahmen einer Dienstbesprechung wurde am Tag vor dem Dreh gebastelt, gemalt, Dekoration hergestellt, Catering geplant. Hier wurde bereits deutlich, dass die anfängliche Skepsis einer Begeisterung wich, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Und: alle beteiligten sich!
In der abschließenden Besprechung wurde jede Arbeitsgruppe, jede Lehrkraft, jeder Schüler und jede Schülerin noch einmal instruiert, was sie am folgenden Drehtag machen sollte. Meine Wege mit der Kamera wurden vorgestellt, sodass klar war, wer wann wo zu stehen hatte und wann die Position gewechselt werden mussten, da einige Lehrkräfte mehrfach eingesetzt waren.

Die Durchführung wird ein voller Erfolg

Am Dienstag, 16. März, dreieinhalb Wochen nach der Fortbildung, begann der Dreh. Man spürte allen die Anspannung an, jeder war bereit, das Beste zu geben.
Es erfolgte ein Probedurchgang, letzte Instruktionen wurden gegeben. Allen war klar, dass ein Fehler, eine Unachtsamkeit dazu führen würde, dass der Dreh wiederholt werden müsse.
Dann ging es los. Über die Schullautsprecher lief die Musik. Mit der Kamera in der Hand lief ich den Weg ab. Vorbei an chemischen Experimenten, BMX-Fahrern, lötenden Werkern, Fußballern, Bus-fahrerinnen, Schulgärtnerinnen, einem Imker, musizierenden Lehrkräften… Die Vielzahl der Aktionen war grandios.

Nach jedem Dreh wurde der Film überprüft: Wo können sich Lehrkräfte anders positionieren? Wie ist die Beleuchtung? Wo wackelt etwas? Diese Gedanken wurden mitgeteilt und der Dreh wiederholt. – Das ganze fünf Mal, dann waren wir zufrieden!
Als Abschluss des Drehtages wurde der ausgewählte Take allen präsentiert. Die Begeisterung und der Jubel im Anschluss sprachen für sich.

Nachbereitung

Die Nachbereitung im Anschluss war schnell gemacht. Mit einem Videoschnittprogramm wurden ein Titel und ein Nachspann eingefügt, einige Sequenzen in der Geschwindigkeit erhöht und zum Schluss die Musik über den Film gelegt.
Am 22. März 2021 wurde das Video mit dem Titel „Die CPS dreht durch“ auf unserer Homepage veröffentlicht – und erhält bis heute sehr positive Resonanz.

Das Resümee

Die Begeisterung beim Kollegium, etwas gemeinsam geschafft zu haben, war sehr groß. Die Stärkung des Wir-Gefühls und die Förderung des Teamgeistes wurden besonders hervorgehoben. Die anfänglichen Bedenken waren verflogen. In Gesprächen wurde deutlich, dass während der Corona-Pandemie viele unter großer Belastung standen, an Überforderung durch den Wechsel von Distanzlernen und Präsenzunterricht litten und das Gefühl hatten, mehr „Einzelkämpfer als Teamplayer“ zu sein. Dies konnte abgeschwächt werden. Diese Veränderung fiel auch Lehrkräften auf: „Endlich hat man einige Kolleginnen und Kollegen mal wieder lachen sehen“, merkte Mehmet Beser an, „die [waren] sonst immer erschöpft und von der Situation um Corona überfordert.“
Auch die Jugendlichen hatten das Gefühl, Teil von etwas Besonderem zu sein. Sie waren über-rascht von der Ausgelassenheit. „So kennen wir die Lehrkräfte gar nicht, da waren einige völlig überdreht“, sagte Dustin und lachte. Er meinte dies durchweg positiv.
Mein Schulleiter zeigte sich auch zufrieden und ist gespannt, welche Ideen aus dem Projekt „n-report“ noch erwachsen.

Die Umsetzungsmöglichkeiten in der Schule und Unterricht

Der planerische Aufwand für ein One-Shot-Video in Form einer Kamerafahrt ist komplex, aber durch eine methodisch-didaktische Aufbereitung auch mit Schülerinnen und Schülern zu realisieren. Der technische Aufwand mit Gimbal und Smartphone ist dagegen relativ gering und kosten-günstig, ebenso für die Jugendlichen leicht zu erlernen und umzusetzen.
Fachlich und thematisch lassen sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten erschließen. Nur zwei seien genannt: Obere Jahrgänge drehen kurze Videos, um beispielsweise den neuen Schüler innen und Schülern im Jahrgang 5 das Schulgebäude vorzustellen. Im Sportunterricht können Bewegungsabläufe mit der Steady-Cam verfolgt werden.


Zur Person

Frank Diedrichs unterrichtet Deutsch, Politik, Erdkunde und Geschichte an der Carl-Prüter-Schule Oberschule in Sulingen. Dort leitet er die Medien-AG mit den Schwerpunkten Video und Podcast.

"Langweilige Kommunalpolitik?" - Von wegen!

Praxisbericht von Maria Lutz

Marie-Curie-Schule Ronnenberg, Jahrgang 10

„Also, welche Aspekte fallen euch denn zur Kommunalpolitik ein?“, frage ich die Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse. Schweigen tönt mir aus den Lautsprechern der Zehntklässler entgegen, wir befinden uns noch im Homeschooling. Das geht ja gut los. Andererseits zeigt es mir, wie wichtig es ist, das Thema (noch einmal) im Politikunterricht aufzugreifen. Denn, da mache ich mir keine Illusionen: Natürlich wird die Politik auf Gemeindeebene als Teil der „Politischer Entscheidungsprozesse im Nahbereich“ bereits in Jahrgang 8 ausführlich beleuchtet. Aber viel hängen bleibt da nicht, wie mir diese Situation wieder zeigt. Wohl auch, weil sich die Bedeutung der Kommunalpolitik für das persönliche Leben offensichtlich nicht so nachhaltig in das Gedächtnis der Lernenden eingebrannt hat. Da kann der Unterricht noch so problemorientiert sein.
Umso wichtiger ist es, jetzt nochmals darüber zu sprechen. Denn: Die Schülerinnen und Schüler des zehnten Jahrgangs dürfen im Herbst zum ersten Mal bei den Kommunalwahlen ihre Stimmen ab-geben. Wenn sie nicht wissen, wofür und warum, dann ist kaum damit zu rechnen, dass sie von dieser Premiere Gebrauch machen.
So jedenfalls meine Ausgangsidee, als ich kurzentschlossen das eigentliche Thema Europäische Union zur Seite lege und der Klasse die Projektidee vorstelle.
Meine Grundidee war simpel: Die Jugendlichen arbeiten in Kleingruppen an einem Aspekt zum Thema Kommunalpolitik und Kommunalwahlen. Ziel ist es, ein digitales Produkt zu erstellen, das am Ende auch der (Schul-)Öffentlichkeit über zur Verfügung gestellt werden kann. So profitieren dann im besten Fall noch mehr potenzielle Erstwählerinnen und Erstwähler von dem Projekt.
Meine Beweggründe waren nicht nur rein ideeller Natur, sondern auch ganz pragmatisch: Alle waren genervt vom Homeschooling. Politikunterricht, der von Diskurs und Aktualität lebt, ließ sich über die Distanz kaum spannend gestalten. Da kommt solch ein digitales Projekt gerade recht, um den Jugendlichen einen eigenständigen Umgang mit Politik zu ermöglichen.
Nach dem zähen Anfang gelang es uns doch, die verschiedenen Themenbereiche zu identifizieren:

  • Organisation und rechtliche Rahmenbedingungen der Kommunalwahl
  • Die Aufgaben eines Gemeinderates
  • Vorstellung der verschiedenen Wahlprogramme
  • Die diesjährigen Spitzenkandidaten der Parteien

Mein Balanceakt bestand darin, den Schülerinnen und Schülern nicht zu enge Vorgaben zu machen, schließlich sollten sie ja entscheiden, was wichtig ist. Gleichzeitig wollte ich natürlich eine möglichst umfassende Darstellung der Kommunalpolitik.
In der Kleingruppenarbeit stellte sich dann schnell der Effekt ein, den ich an der Projektarbeit so schätze: Die Schülerinnen und Schüler begannen, sich ihrem Themenbereich anzunähern, legten selbstständig Schwerpunkte fest und entwickelten Ideen, wie sie das Thema am Ende präsentieren wollen. Meine Aufgabe bestand lediglich darin, zwischen den Gruppenräumen zu wechseln, Tipps zu geben und bei Entscheidungen zu helfen. Endlich mal eine Homeschooling-Situation, die mich zufriedenstellte.
Schnell waren verschiedene Ideen ausformuliert, wie die einzelnen Themen am Ende präsentiert werden sollten. Das Spektrum reichte vom klassischen Interview über Video, Podcast bis hin zu einer kompletten Internetseite. Und ich war (nicht zum ersten Mal) überrascht, wie viele Fertigkeiten eigentlich bei den Jugendlichen schlummern, die viel zu selten im Unterrichtsalltag Anwendung finden.
Etwas mehr Hilfe war bei der Eingrenzung und Abgrenzung der einzelnen Themenblöcke gefragt. So galt es in den nächsten Wochen, zwei große Aufgaben parallel zu stemmen.
Zum einen die inhaltliche Seite: Die Schülerinnen und Schüler müssen ihr jeweiliges Themengebiet fachlich korrekt und gleichzeitig verständlich darstellen. Das setzt voraus, dass sie sich ihre Themen zunächst selbst erschließen, also selbstständig recherchieren und verstehen. Und das war oft gar nicht so einfach. Denn: Kommunalpolitik ist oft in einer ganz eigenen Sprache abgefasst, dem Verwaltungsdeutsch. Es wimmelt nur so von juristischen Bandwurmsätzen und Fachbegriffen.
Trotz der bereits erworbenen Fachkonzepte brauchten die Schülerinnen und Schüler hier einen langen Atem und Unterstützung durch mich als Lehrkraft.
Zum anderen die Präsentation: Die Umsetzung des digitalen Produktes. Hier war die Organisation innerhalb der Gruppe genauso wichtig wie die technischen Fertigkeiten bei der Erstellung des jeweiligen Produktes.
Die Schülerinnen und Schüler brachten hier zwei Dinge mit, die entscheidend waren: Motivation und Mut. Erstere kam sicherlich daher, dass sie selbst entschieden hatten, welches Produkt am Ende der Projektarbeit stehen sollte. Dabei waren sie so mutig, sich auch mit journalistischen Fer-tigkeiten auseinanderzusetzen, die sie bisher nicht selbst erprobt hatten, wie beispielsweise die Erstellung eines Podcast.
Meine Befürchtung, dass ich am Ende die Gruppen antreiben müsste, im schlimmsten Falle noch Treffen organisieren muss, damit die Produkte fertig werden, bewahrheitete sich nicht. Ich blieb vor allem in der Rolle der inhaltlichen Beraterin: Themen eingrenzen, Fachbegriffe klären und vor inhaltlicher Überladung warnen.
Die Organisation innerhalb ihrer Gruppen nahmen die Jugendlichen beeindruckend selbstständig in die Hand: Trotz des Distanzlernens kommunizierten sie verbindlich, verteilten Aufgaben unterei-nander und organisierten selbstständig Treffen.
Der Nachteil dabei: Die Produktionsseite der Projektarbeit entzog sich zu einem großen Teil meiner Kontrolle und Überprüfung, wodurch ich kaum korrigierend eingreifen konnte.
Eine weitere Problematik, mit der ich nicht gerechnet hatte: Die Kontaktaufnahme mit den Fraktionen im Stadtrat. Der Rücklauf zu den Anfragen der Schülerinnen und Schüler war spärlich oder blieb ganz aus. Hier war auch ich ratlos. Wie sollen junge Menschen für Politik begeistert werden, wenn es noch nicht einmal gelingt, auf Anfragen zu antworten?
Insbesondere die Gruppe, die sich mit den Wahlprogrammen der einzelnen Parteien auseinandersetzte, wurde in ihrer Arbeit stark ausgebremst. Am Ende schafften es genau zwei Parteien, den Fragen der Schülerinnen und Schüler Rede und Antwort zu stehen.
Am Ende der Projektarbeit stehen nun Ergebnisse, die die ganze Bandbreite journalistischer Arbeit abdecken: von einer informierenden Homepage über einen Podcast mit eingebauten Interviews bis hin zu einem recht klamauklastigen Video, bei dem zumindest die beteiligten Schülerinnen und Schüler ihren Spaß hatten.
Am wichtigsten für die Jugendlichen und für mich ist, dass das Thema Kommunalpolitik nun nicht mehr mit großen Fragezeichen behaftet ist. Die Schülerinnen und Schüler sind eigenen Fragen nachgegangen und haben sich dabei der Politik angenähert, die in ihrem direkten Umfeld passiert. Motiviert hat sie dabei das selbstständige Ausprobieren von journalistischen Techniken.
Mit klassischen Unterrichtsformaten wäre die Kommunalpolitik sicher nicht so umfassend und nachhaltig bei den Jugendlichen angekommen, wie durch diese Projektarbeit.


Zur Person

Maria Lutz unterrichtet an der Marie-Curie-Schule in Ronnenberg die Fächer Politik-Wirtschaft, Deutsch und Deutsch als Zweitsprache. Sie leitet zusammen mit einem Kollegen den Schülerblog „Marie Curier“, den es seit dem Jahr 2018 gibt.

Die Geschichte vom Überraschungsei

Praxisbericht von Maria Plaggenborg

Copernicus Gymnasium Löningen

Medienbildung ist heutzutage aus dem Schulbereich nicht mehr wegzudenken. Viele Schulen haben mittlerweile die klassische Schülerzeitung durch ein digitales Format ersetzt oder bieten journalistisches Arbeiten als Seminarfach an – am Copernicus Gymnasium Löningen gibt es das noch nicht. Daher reiche ich ambitioniert im März 2020 meine Bewerbung für das Projekt „n-report digital“ ein, um nicht nur mich, sondern vor allem die Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich weiterbilden zu können.
Das Projektthema der Bewerbung lautet: „Jugend am CGL – Menschen, Bilder, Emotionen angesichts der Corona–Pandemie“. Zu dieser Zeit sind bereits Schulen und Kitas geschlossen, die Eltern arbeiten im Homeoffice, Schülerinnen und Schüler lernen von zu Hause aus. Hinzu kommt eine Kontaktsperre, die das Leben gerade für die Jugendlichen tiefgreifend verändert. Der gemeinsame Schulunterricht, das Treffen mit Freunden am Nachmittag, der gemeinsame Kinobesuch, ein freundliches persönliches Gespräch, dies alles ist nicht möglich. Soziale Kontakte werden aktuell über die sozialen Medien aufrechterhalten. Ebenso kommt den Nachrichten in diesen Tagen eine immense Bedeutung zu. Das, was unser Leben momentan so nachhaltig verändert, sollte gemeinsam im Deutschunterricht thematisch und persönlich ein Stück weit aufgearbeitet werden.
So ist der Plan …
Dass diese Krise jedoch bei Weitem länger anhalten und unser Leben weitaus nachhaltiger prägen würde, ist mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Es wird jedoch zunehmend deutlich, dass das Virus allen Projektgedanken einen Strich durch die Rechnung macht.
Jetzt, über ein Jahr später, ist von dem ursprünglichen Projektthema eine völlig neuartige Version entstanden: „Der Poetry Slam als Literaturprojekt in Zeiten von Homeschooling, Kontaktsperre und medialer Kommunikation“. Mittlerweile sind meine Schülerinnen und Schüler und ich durchaus routiniert im täglichen Homeschooling, die mediale Erfahrung wächst stetig. Gleichzeitig schwindet jedoch die Motivation seitens der Jugendlichen, sich neue Inhalte anzueignen. Daher stelle ich mir die Frage: Wie kann auch im Homeschooling wieder Motivation erzeugt werden? Woran hat die Lerngruppe Interesse?

Wir veranstalten einen (digitalen) Poetry Slam!

Plötzlich kommt der Gedanke einer kreativen Umsetzung unseres aktuellen Unterrichtsthemas „Motive der Lyrik“. Motivation wird durch kreatives, produktorientiertes Arbeiten gefördert – ergo veranstalten wir einen Poetry Slam!
Ambitioniert erstelle ich eine PowerPoint-Präsentation zum Projekt und präsentiere meiner Klasse die Idee per Videokonferenz. Völlig begeistert berichte ich ihnen davon…
Zunächst erntet die Projektidee jedoch nur verhaltene Reaktionen seitens der Schülerinnen und Schüler: „Äh, das soll Spaß machen?“ „Schon wieder ein Referat?“ So oder so ähnlich lauten die Reaktionen. Es dauert eine Weile und es benötigt vor allem Erklärungsarbeit, bis alle das Ziel verstanden haben.

Individuelles Arbeiten nach eigenen Interessen und freie Wahl bei der Gestaltung

Normalerweise finden schulische Projekte in einem festgelegten Rahmen statt. Entweder ist das Thema vorgegeben oder aber die Umsetzungsmethode oder auch beides. Nicht aber bei diesem Projekt. Die Jugendlichen können nach eigenen Interessen Themen bearbeiten und sind ebenfalls frei bei der Umsetzung. Die einzigen beiden Grundbedingungen für die Umsetzung sind, dass sie sich an den poetischen Vorgaben orientieren sowie die Gestaltungsmethode (z. B. Print, Video, Podcast) bereits bekannt ist, sie also zuvor Erfahrungen dazu sammeln konnten.
Diese plötzliche Freiheit bei der Projektidee ist für die Schülerinnen und Schüler zunächst eher verwirrend. Einige brauchen sehr lange, bis sie sich auch nur annähernd für ein Projekt entscheiden können und die Unterstützung per Videokonferenz ist auch eher suboptimal.
Mir schießt durch den Kopf: Dieses Projekt wird mit Pauken und Trompeten untergehen.
Doch dann kommt endlich der lang ersehnte Wechselunterricht!
An ihren Präsenztagen in der Schule wird von der einen Hälfte der Lerngruppe fleißig an der Einheit zur Lyrik gearbeitet. Fragen zum Poetry Slam können geklärt werden. Die Klassenhälfte, die sich an diesen Tagen im Homeschooling befindet, kann individuell an ihren Projekten arbeiten.
Die Spannbreite der Themen überrascht mich sehr, vom Erklärvideo über den Wels im Stil der „Heute-Show“, über das Leben während der Corona-Pandemie als pubertierender Jugendlicher oder auch emotionale Texte über Rassismus und Depressionen sollen produziert werden. Auch für mich als Lehrkraft ist diese Projektsituation völliges Neuland. Normalerweise begleitet man die Lerngruppe während einer Projektphase intensiv bei der Erstellung ihrer Formate. In diesem Falle sind die Schülerinnen und Schüler über weite Strecken auf sich allein gestellt.

So wird der Poetry Slam für alle zum Überraschungsei

Am Tag des Battles sind alle nervös. Für den Wettkampf werden alle Schülerinnen und Schüler zunächst in Gruppen aufgeteilt, in denen sie gegeneinander antreten sollten: Ein Gruppensieger muss ermittelt werden. Dazu gibt es ein Punktesystem in drei verschiedenen Kategorien: (mediale) Präsentation, Vortrag, inhaltliche Darstellungsleistung. Derjenige, der die meisten Gesamtpunkte erzielt, ist automatisch Finalist. In der Finalrunde werden die Beiträge der Gruppensieger jetzt der gesamten Klasse präsentiert. Das Bewertungssystem bleibt das gleiche, allerdings wird der Sieger jetzt mittels Applauses ermittelt. Die Beiträge sind so verschieden, wie sie nur sein können: ein thematisch sehr ernster poetischer Beitrag über Rassismus, ein Beitrag über die Leidenschaft für das Zeichnen, über das Leben während der Corona-Pandemie und weitere. Einer besser als der andere. Wir alle sind wirklich beeindruckt und auch emotional berührt.

Und wie sieht es rückblickend seitens der Schülerinnen und Schüler aus? Ziemlich einstimmig bekomme ich die Rückmeldung, dass die Beantwortung der Fragen Was? und Wie? das schwierigste am Projekt gewesen sei. „Dadurch, dass wir so gut wie nichts vorgegeben bekommen haben, war es schwierig, sich zu entscheiden. Aber als ich mich dann erst einmal für ein Thema entschieden habe, hat die Arbeit richtig viel Spaß gemacht“, sagt eine Schülerin. Durch den sehr offenen Rahmen sind einige zunächst überfordert, können sich schwer für ein Thema entscheiden. Aber als dann der sprichwörtliche Knoten geplatzt ist, hat die Arbeit an diesem Projekt sehr zur Motivation beigetragen. Die Schülerinnen und Schüler berichten mir über ihren Einsatz während der Projektarbeit, über Erfolge und Misserfolge, z. B. über die verzweifelte Suche nach verlorenen Dateien. Und ich merke: In der Homeschooling-Zeit hat vor allem das persönliche Miteinander, das Gespräch gefehlt. Über dieses Projekt sind wir alle wieder ein kleines Stück näher zusammengerückt. Und auch die Ergebnisse können sich sehen lassen.
Alles in allem muss ich konstatieren: Dieses Überraschungsei hat sich gelohnt!

Zur Person

Maria Plaggenborg unterrichtet am Copernicus Gymnasium in Löningen die Fächer Deutsch und katholische Religion. Zudem leitet sie die Fachgruppe Deutsch.

Drunter und Drüber - Auf und Ab

Praxisbericht von Sonja Krenmayr

Wolfsburger Oberschule, Jahrgang 10

Wir sind in den Vorbereitungen für die Abschlussfeier der Zehntklässler, dem Corona-Abschlussjahrgang unserer Oberschule in Wolfsburg. Wenn ich in die erschöpften Gesichter meiner Kolleginnen schaue, erkenne ich die Strapazen der letzten Monate.
Trotz allem versuchen wir, unseren Schülerinnen und Schülern und ihren Familien einen würdigen Abschied zu bereiten. Die zwei Wörter „trotz allem“ könnten wahrscheinlich ein ganzes Buch füllen. Und sie könnten wohl auch eine kurze Beschreibung des unglaublichen Durchhaltevermögens von uns allen in dieser schwierigen Zeit sein.
Unseren Schülerinnen und Schülern versuchen wir Halt zu geben: über die Distanz Nähe zu erzeugen, trotz aller Ernsthaftigkeit Humor zu behalten und auf allen Wegen Wissen zu vermitteln.
Das Letztere ist eine Sisyphus-Aufgabe. Den Stein des Wissens den Hang hochzurollen ist im normalen Schulalltag schon eine Herausforderung, aber in Zeiten von Distanzlernen fast unmöglich, da gerade an unserer Schulform die technischen Voraussetzungen, die erforderliche Unterstützung unserer Schülerinnen und Schüler beim Lernprozess nicht gegeben sind.
Wenn es etwas Positives an Corona gibt, dann wohl, dass die Pandemie vieles Versteckte in unserer Gesellschaft aufdeckt, unter anderem die Mängel im Bildungssystem. Wo sind all die versprochenen Endgeräte? Wo die Internetverbindungen? Wo die höhere Anzahl an notwendigen Lehrkräften?
Aber im Superwahljahr stehen jedoch wieder andere Themen im Vordergrund.
Wenn ich Energie habe, lese ich in dieser Zeit Berichte von anderen Schulen. Nicht dass ich nicht selber genug erlebe oder von meinen Kolleginnen und Kollegen hören würde, aber man ist immer wieder erstaunt, was es alles an Variationen zu unserem Corona-Alltag gibt. Ich wünschte, ich hätte die Kraft und die Zeit, das alles kreativ zu bearbeiten. Leider habe ich das nicht. Ich bin, wie fast alle meine Kolleginnen und Kollegen, im Zustand absoluter Überlastung und nur noch auf Dauer-Durchhaltemodus eingestellt.
In der Realität kommt in der Gesellschaft nicht viel von den Umständen in der Schule an. Wenn man als Lehrerin einmal mitbekommt, wie dieses Bild aussieht, vor allem die Einschätzung des Arbeitseinsatzes und -aufwandes von Lehrkräften, aber auch der Schulleitungen und Mitarbeiterinnen, kommt man gar nicht dazu, seiner Empörung Luft zu machen. Was soll man auch einem „Jetzt wo die Schüler zu Hause sind, habt ihr doch ein ruhiges Leben!“ entgegnen? Außer einer langen und ausführlichen Darstellung der komplexen Realität?
Erstens ist das Gefühl zu anstrengend, sodass man abwägt, ob es die Sache wert ist, zweitens ist man schlichtweg atemlos durch das stundenlange Tragen der Maske während des Präsenzunterrichts.
Das Tragen der Maske – generell und auch in korrekter Weise – ist seit Beginn der Corona-Pandemie einer der größten öffentlichen Streitpunkte und Sinnbild für diese Zeit.

Und während sie für die einen Schutz vor einem möglichen, tödlichen Verlauf bei einer eventuellen Erkrankung bedeutet, ist sie für andere das rote Tuch schlechthin – der größte, und ihrer Meinung nach schlimmste, Eingriff in ihre Grundrechte.
Herausfordernd auch, dass jeder Mensch zum Mund-Nase-Schutz seine ganz persönliche Meinung hat – fast jeder Schüler und einige Kolleginnen und Kollegen, sodass mein anstrengender und luftquantitäts- und qualitätsverringerter Alltag zu einem Diskussionsmarathon zum Thema „drüber und drunter“ wird – also die Maske über oder unter der Nase.
Dazu kommen die regelmäßigen Änderungen bezüglich der Maßnahmen abhängig von Inzidenzwerten, bundesweit, landesweit –Stadt bestimmt. Auch Föderalismus wird in den von Masken begleiteten Diskussionsreigen mit aufgenommen.
Ein gesunder Alltag sieht anders aus.
Meine Klasse unterrichte ich in GSW und wir nutzen die technischen Möglichkeiten, führen Zeitzeuginneninterviews via Videochat. In Werte und Normen versuche ich mit ihnen, die Pandemie zu verarbeiten. In ihnen wächst das Bewusstsein, dass auch sie mittlerweile Zeitzeugen sind.
Doch wie wir alle haben sie irgendwann keine Lust mehr auf das Thema und sehnen ein baldiges Ende der Pandemie und auch der Auseinandersetzung damit herbei.
Kraft für die Abgabe eines Projektes für den n-report hat leider keiner mehr. Das finde ich zwar schade, aber ich kann es selber sehr gut nachvollziehen.
Habe ich die Fortbildungstage am Anfang als erholsame und inspirierende Erfrischung in meinem Corona-Schulalltag erlebt, sind die dann nur noch online stattfindenden Veranstaltungen mit sehr komprimierten Inhalten zusätzlicher Stress.
Erst jetzt bemerke ich das wirkliche Ausmaß meiner Erschöpfung, da ich nicht mehr viel Kraft für Kreativität und Neues aufbringen kann.
Und dann lese ich noch einmal in Ruhe meinen ersten Text „Warten auf die nächste Welle“, den ich letztes Jahr am Anfang der Fortbildung geschrieben hatte. Was hat sich verändert? Denn auch wenn wir uns gerade, was die Inzidenzwerte betrifft, auf dem Abwärtstrend befinden und die Lockerungen der Hygienemaßnahmen uns dazu verführen, leichter zu leben oder leider leichtsinnig zu werden – lauert wie letztes Jahr um die Ecke eine erneute, schwer einschätzbare Welle durch die Deltavariante, die in anderen Ländern bereits zu neuerlichen Schließungen führt. Wieder sehen wir einem ungewissen Sommer entgegen, den wir ein wenig mehr genießen wollen, und wir sehen einem Herbst entgegen, vor dem wir durch die stattgefundenen Impfungen zumindest in unserem Land die große Furcht – vielleicht auch das Gefühl der Ohnmacht – verloren haben.
Mit unserer Abschlussfeier versuchen wir einen Schlussstrich zu ziehen, da wo wir können. Kurz durchzuatmen – auch wenn es wahrscheinlich durch die Maske ist. Uns mit Abstand in die Arme zu nehmen, den Moment gemeinsam zu genießen und das Leben und seine Meilensteine zu feiern.
Demütig beobachte ich wieder meine Schülerinnen und Schüler, die zwar einen kleinen Anstoß brauchen, aber dann mit so viel Freude, Dankbarkeit und Kreativität versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.

Zur Person

Sonja Krenmayr unterrichtet Politik, Geschichte, Erdkunde und Wirtschaft an der Wolfsburger Oberschule.
Wichtig ist ihr besonders im Politikunterricht, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, ihren Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe zu erkennen und umzusetzen.